IHK-Konjunkturumfrage – Herbst 2022: Coburger Wirtschaft am Rande der Rezession

„Wir befinden uns mitten in der schwersten Energiekrise seit Jahrzehnten und stehen am Beginn einer Rezession, die bislang noch nicht absehbare Ausmaße annehmen kann. Im Wirtschaftsraum Coburg sind Unternehmen, Arbeitsplätze, Standort und Wohlstand in großer Gefahr. Natürlich eröffnen Krisen immer auch Chancen – allerdings nur, wenn die Politik die dafür notwendigen Rahmenbedingungen schafft, und zwar allein Daten und Fakten verpflichtet, ohne Parteiideologie und Denkverbote. Es braucht jetzt zielgerichtete, koordinierte Bemühungen von Bund und Ländern, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft wieder zu stärken und eine Deindustrialisierung zu vermeiden. Dazu gehört auch, dass die Mittel des wirtschaftlichen Abwehrschirms schnellstmöglich bei unseren Unternehmen ankommen, die angekündigte Strompreisbremse auf den Weg gebracht wird und alles ans Netz kommt, was Strom liefert.“ Mit diesen Worten kommentiert Präsident Dr. Andreas Engel die Ergebnisse der Konjunkturumfrage der IHK zu Coburg.

Der IHK-Konjunkturklimaindikator, der als Stimmungswert sowohl die aktuelle Geschäftslage der Unternehmen als auch ihre Geschäftserwartungen abbildet, ist nach der ohnehin bereits schwachen Notierung bei 107 Punkten im Frühjahr nun auf 71 Punkte abgestürzt. Das ist der bislang niedrigste im Zuge der Konjunkturumfrage ermittelte Wert, zu Beginn der Corona-Pandemie lag er bei 74.

Aktuelle Geschäftslage: Die geschäftliche Situation der regionalen Wirtschaft zum Herbst hin hat sich gegenüber dem Frühjahr eingetrübt, mehr als ein Fünftel der Befragten bezeichnet ihre Lage als schlecht, für 36 Prozent ist die Situation noch gut. Der Saldo aus guten und schlechten Lagebewertungen ist damit im Vergleich zum Frühjahr um fast die Hälfte eingebrochen auf jetzt 15. In Industrie und Dienstleistungswirtschaft ist die Situation generell angespannt, einzig der Maschinenbau meldet noch gute Geschäfte. Immerhin haben sich Gastronomie und Hotellerie im Jahresverlauf weiter aus dem Corona-Tal herausgearbeitet. Dagegen spürt der Handel ganz deutlich die Kaufzurückhaltung der Konsumenten.

Erwartungen: Die geschäftlichen Aussichten auf die kommenden Monate sind über die gesamte Breite der Wirtschaft so finster wie noch nie und haben den historisch niedrigen Saldo von minus 56 erreicht. Mit geschäftlicher Aufhellung rechnet kaum noch ein Unternehmen, dagegen gehen rund zwei Drittel von Geschäftseintrübung aus – eine Verdoppelung gegenüber dem Frühjahr. Hauptursache für die negativen Entwicklungen ist der Ukraine-Krieg, dieser hat aber darüber hinaus politische Versäumnisse schonungslos aufgedeckt, die schon vorher bestanden, insbesondere bei Energie- und Mobilitätswende, Bürokratie und Steuerbelastung sowie Ausbau der digitalen und Verkehrsinfrastruktur. Es besteht ganz konkret das mittelfristige Risiko, dass unser Standort massiv und dauerhaft an Wettbewerbsfähigkeit einbüßt.

„Neben Sorgen vor weiteren Kostensteigerungen und Risiken in der Versorgungssicherheit bei Energie, Rohstoffen, Vorprodukten und Material sowie vor einem Nachfragerückgang durch verunsicherte Kunden werden über nahezu alle Branchen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als wesentliches Risiko für die Geschäftsentwicklung genannt. Daraus wird deutlich: Unsere Unternehmen brauchen Zukunftsperspektiven durch verlässliche Politik und wirksame Maßnahmen zur Unterstützung bei der angestrebten Transformation der Wirtschaft. Keinesfalls darf es jetzt noch weitere Belastungen geben“, mahnt IHK-Präsident Dr. Andreas Engel.

Die Branchen im Einzelnen

Industrie gesamt

Aktuelle Lage: Die regionalen Industrieunternehmen schätzen aufgrund vorherrschenden Auftragsbestands und entsprechender Kapazitätsauslastung zwar derzeit ihre aktuelle Geschäftslage noch überwiegend gut oder befriedigend ein. Allerdings gibt es bei den Betrieben, die ihre aktuelle Lage als gut bewerten, einen Rückgang um 12 Prozentpunkte gegenüber der Frühjahrsumfrage. Mehr als verdoppelt hat sich der Anteil der Unternehmen mit schlechter Geschäftslage. Hier macht sich deutlich bemerkbar, dass die Unsicherheit bei der Energieversorgung die Wirtschaft massiv belastet und sich auf die Investitionsneigung sowie Nachfrage nach Industriegütern auswirkt. Die steigenden Energie- und Rohstoffpreise bereiten nahezu allen produzierenden Betrieben große Sorgen, können aber bislang vollständig oder teilweise an die Kunden weitergegeben werden. Gestörte Lieferketten sind bereits im dritten Jahr eine große Belastung für die Betriebe.

Erwartungen: Gerade die exportabhängige Industrie steht wegen der weltweiten Konjunkturschwäche, Energiekrise sowie Mangel und Preissteigerungen bei Material und Rohstoffen vor schwierigen Monaten. Für nicht wenige stellt sich die Frage nach Versorgungssicherheit mit Erdgas und Strom im eigenen Betrieb, weil sie bislang erfolglos auf der Suche nach einem Liefervertrag mit akzeptablen Konditionen sind. Immerhin sind 26 Prozent der Betriebe auf Gasversorgung „vollständig angewiesen“, weitere knapp 40 Prozent „teilweise“ oder „geringfügig“. Und so ist der prozentuale Anteil der Befragten, die mit verbesserter Geschäftslage rechnen, auf einen einstelligen Wert eingebrochen, während rund zwei Drittel von Verschlechterung ausgehen. Die größten Risiken für die eigene wirtschaftliche Entwicklung werden in weiteren Preissteigerungen bei Energie und Rohstoffen sowie bei Arbeitskosten gesehen.

Industrie im Einzelnen:

Maschinenbau

Aktuelle Lage: Die Unternehmen des Coburger Maschinenbaus beurteilen ihre Geschäftslage verhaltener als noch in der Frühjahrsumfrage: Um mehr als 20 Prozentpunkte auf 62 Prozent sank der Anteil der Einschätzungen mit „gut“, mehr als verdoppelt auf 38 Prozent hat sich die Beurteilung mit „befriedigend“. Immerhin bewertet noch keiner der befragen Betriebe seine Lage als „schlecht“. Der Auftragsbestand wird in der gesamten Branche als „ausreichend“ (38 Prozent) bis „relativ groß“ (62 Prozent) eingeschätzt.

Erwartungen: Für die kommenden Monate erwartet die überwältigende Mehrheit der befragten Maschinenbauer eine Verschlechterung. So könnte der noch gute Auftragsbestand, der aktuell für volle Kapazitätsauslastung sorgt, sich als trügerisch erweisen, nämlich dann, wenn es aufgrund Verschlechterung der Weltkonjunktur zu Stornierungen kommen sollte. Zudem lässt das Neugeschäft nach, vor allem auf internationaler Ebene – ein Indikator für die fortschreitende Abkühlung des Weltwirtschaftsklimas.

Automobilzulieferer und Vorleistungsgüterindustrie

Aktuelle Lage: Nur noch ein Drittel der heimischen Automobilzulieferer und Vorleistungsgüterproduzenten bewertet die aktuelle Geschäftslage mit „gut“, mehr als verdreifacht im Vergleich zur Vorumfrage haben sich die negativen Einschätzungen. Besonders deutlich ist der Rückgang an Auftragsvolumen aus dem Ausland, entsprechende Meldungen haben sich fast verdoppelt. Allerdings gingen auch die Inlandsbestellungen zurück, wie 37 Prozent der Befragten vermelden. Von Problemen bei den Lieferketten berichten 85 Prozent der Befragten, wobei die Nennung von „erheblichen“ und „teilweisen“ Problemen leicht zurückgingen, was auf eine gewisse Auflösung der Störungen hindeutet. Drei Viertel der Betriebe sichern sich mit erhöhter Lagerhaltung gegen Lieferschwierigkeiten ab, auf Produktionsumstellung und Angebotsreduktion wird bislang weitgehend verzichtet.

Erwartungen: Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen geht davon aus, dass die Geschäftslage sich weiter verschlechtert. Als Hauptrisiken für die wirtschaftliche Entwicklung werden an vorderster Stelle die Energie- und Rohstoffpreise genannt, worauf alle Befragten ihrerseits mit steigenden Verkaufspreisen reagieren wollen. Mit jeweils rund 50 Prozent der Nennungen rangieren auch der Fachkräftemangel und die Arbeitskosten bei den Risiken weit oben. Kritisch zu sehen ist in diesem Zusammenhang die politisch gewollte, völlig einseitige Ausrichtung auf Elektromobilität – hier ist mehr Technologieoffenheit anzumahnen, beispielsweise mit Blick auf E-Fuels für Verbrennungsmotoren.

(Polster-)Möbelindustrie

Aktuelle Lage: Schwierig stellt sich die Lage bei unseren heimischen Polstermöbelherstellern dar, auch wenn die diesjährigen Hausmessen von guten Gesprächen und freundlicher Stimmung geprägt waren. Gerade mal ein Fünftel der befragten Betriebe sieht sich in einer guten Geschäftslage, ein Einbruch um über die Hälfte gegenüber der Vorumfrage. Fast vervierfacht hat sich der Anteil der negativen Einschätzungen. Seit Beginn des Ukraine-Krieges wurden deutlich weniger Möbel verkauft, wobei davon das niedrigere Preissegment stärker betroffen ist als das höhere. Zudem sind die Betriebe durch die dramatische Preisentwicklung bei Strom, Gas und Material massiv unter Druck.

Erwartungen: Der Blick auf die kommenden Monate ist düster: Je zur Hälfte erwarten die Betriebe unveränderte oder nochmals verschlechterte Geschäftsentwicklung. Hauptrisiken sind neben Energie- und Rohstoffpreisen sowie niedriger Inlandsnachfrage auch die Arbeitskosten und der Fachkräftemangel. Vor diesem Hintergrund ist die im neuen Bürgergeld festgelegte Vertrauenszeit bei den Sanktionen kontraproduktiv, weil sie Anreize zur Arbeitsaufnahme reduziert, während unsere Betriebe händeringend Mitarbeiter suchen.

Dienstleistung

Versicherungs- und Finanzgewerbe

Aktuelle Lage: Kamen bislang aus dem regional starken Versicherungs- und Finanzgewerbe immer noch positive Lageeinschätzungen, hat sich mittlerweile auch hier das Bild eingetrübt. Der Anteil der Unternehmen, die ihre Geschäftslage „gut“ bewerten, ist gegenüber der Frühjahrsumfrage um ca. die Hälfte auf nun 31 Prozent eingebrochen. Nahezu unverändert sind 12 Prozent mit der aktuellen Lage unzufrieden.

Erwartungen: Der Blick in die Zukunft ist düster: Keines der befragten Unternehmen erwartet Verbesserung der Geschäftstätigkeit, aber rund ein Drittel rechnet mit Verschlechterung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass den Verbrauchern wegen der hohen Inflation deutlich weniger Geld zur Verfügung steht und mit Zahlungsausfällen zu rechnen ist. Gleichwohl rechnen 14 Prozent der Umfrageteilnehmer immer noch mit steigendem Umsatz, doppelt so viele mit einem Rückgang.

Unternehmensnahes Dienstleistungsgewerbe

Aktuelle Lage: Auch in der unternehmensnahen Dienstleistungswirtschaft ist die Stimmung gekippt: Nur noch 31 Prozent schätzen ihre Lage mit „gut“ ein, nach 60 Prozent in der Vorumfrage. Bei rund der Hälfte der befragten Unternehmen ist der Umsatz „gestiegen“ oder „gleich geblieben“, während er bei 44 Prozent gesunken ist. Immerhin berichten die Branchenvertreter noch von überwiegend „voller“ bzw. „befriedigender“ Auslastung.

Erwartungen: Die Erwartungen an die künftige Geschäftslage sind abgestürzt: Nur noch 8 Prozent rechnen mit einer Verbesserung (Vorumfrage: 36 Prozent), 69 Prozent erwarten unveränderte Geschäfte (Vorumfrage: 43 Prozent). Der Anteil der Unternehmen, die eine Verschlechterung erwarten, ist mit 23 Prozent nahezu konstant geblieben. Als Risiken werden neben den Energiepreisen vor allem die weitere Entwicklung der Nachfrage und der Fachkräftemangel genannt.

Handel

Einzelhandel

Aktuelle Lage: Die zwischenzeitliche Erholungsphase bei den Coburger Einzelhändlern ist wohl schon wieder vorbei: Nur noch 17 Prozent sind mit ihrer Geschäftslage zufrieden (Vorumfrage: 43 Prozent), 42 Prozent sind unzufrieden (Vorumfrage: 7 Prozent). Hohe Inflation und Krisenstimmung trüben die Kauflaune der Konsumenten, die Händler haben mit Kostenexplosion sowie Lieferengpässen zu kämpfen. Dabei waren schon die vergangenen zwei Jahre aufgrund der Corona-Beschränkungen äußerst schwierig und man hatte nun auf eine dauerhafte Rückkehr der Kunden in die Geschäfte gehofft.

Erwartungen: Der Ausblick auf die kommenden Monate verheißt nichts Gutes, obwohl das Weihnachtsgeschäft vor der Tür steht, die Hauptumsatzzeit im Einzelhandel. Die Kaufzurückhaltung der Kunden wird sich verstärken – v.a. aus Sorge, wie sie die massiv gestiegenen Strom- und Brennstoffkosten bezahlen sollen – und dazu führen, dass bei den Geschenken gespart wird. Entsprechend rechnet keines der befragten Unternehmen mit besseren Geschäften, während 60 Prozent von Verschlechterung ausgehen.

Großhandel

Aktuelle Lage: Deutlich besser ist die geschäftliche Lagebeurteilung der Grossisten: 62 Prozent verzeichnen gut laufende Geschäfte, ein leichter Rückgang gegenüber der Frühjahrsumfrage. Allerdings sind auch 12 Prozent unzufrieden, deren Anteil lag in der Vorumfrage noch bei null. Bei 56 Prozent ist der Umsatz gestiegen, bei knapp einem Viertel gesunken. Nahezu alle Großhändler geben ihre gestiegenen Einkaufspreise an die Kunden weiter und gehen auch von weiter steigenden Verkaufspreisen aus.

Erwartungen: Der Pessimismus mit Blick auf die kommenden Monate hat stark zugenommen: Der Anteil der Firmen, die eine bessere Geschäftslage erwarten, ist auf null gesunken, bei der Vorumfrage waren es noch 20 Prozent. Mehr als verdreifacht hat sich der Anteil derer, die mit einer Verschlechterung der Geschäfte rechnen. Fast ein Viertel erwartet sinkende Beschäftigtenzahlen. Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung werden insbesondere im weiteren Nachfragerückgang, fortgesetzten Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise sowie stockenden Lieferketten gesehen.

Tourismus

Aktuelle Lage: Das Konjunkturklima im Hotel- und Gastgewerbe hat sich etwas verbessert, wobei die Branche in den letzten zwei Jahren von den Restriktionen zur Eindämmung der Corona-Pandemie in besonderem Maße betroffen war. Knapp ein Drittel verzeichnet gute Geschäfte, diese Beurteilung fand sich in der Vorumfrage bei keinem der befragten Unternehmen. Der Anteil der negativen Lagebeurteilungen ging um etwa die Hälfte zurück. Zuwächse gab es v.a. bei Tagestouristen und Urlaubsreisenden. Die Anzahl der Geschäftsreisen ist v.a. durch die verstärkte Nutzung virtueller Alternativen anstelle von Präsenzveranstaltungen gesunken.

Erwartung: Keines der befragten Unternehmen erwartet eine Verbesserung der Geschäftslage, entsprechend gehen über 80 Prozent von sinkenden Umsätzen aus. Zu groß ist das Risiko, dass die Menschen wegen Inflation und Unsicherheiten ihre Freizeitaktivitäten, wie Urlaub oder Gaststättenbesuch, spürbar reduzieren werden. Die überwältigende Mehrheit beabsichtigt, gestiegene Preise an die Gäste weiterzugeben.

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